Logopädie-Patientin kämpft sich zurück ins Leben

„Nach einem Hirntumor fehlten mir die Worte“

(19.07.2022) „Supermarktbesuche waren für mich lange Zeit eine große Überwindung“, sagt Heidi Merbecks. Der 56-Jährigen wurde vor rund sieben Jahren ein Hirntumor in der Größe einer Orange entfernt. Seitdem leidet sie unter Sprachstörungen, musste sich Stück für Stück ins Leben zurückkämpfen. Geholfen hat ihr dabei unter anderem Maren Gutzke, Logopädin bei der Savita Grevenbroich. „Dank ihr traue ich mich wieder unter die Leute“, gibt die ehemalige Verkäuferin zu.

Wenn Merbecks einkaufen geht, kann es ein paar Minuten länger dauern. „Erst muss ich mich jedes Mal aufs Neue im Geschäft zurechtfinden. An der Kasse wird es dann meist unangenehm, weil ich immer wieder nach dem Betrag fragen muss“, so die Grevenbroicherin. „Besonders anfangs stresste es mich sehr, wenn sich die Menschen hinter mir in der Schlange darüber aufregten.“ Seit ihrer Operation leidet die Patientin neben einer Wortfindungsstörung auch an einer kognitiven Dysphasie. Das heißt, dass nicht nur die Sprachfähigkeit, sondern auch die Konzentration beeinträchtigt ist. „Mir fehlen einfach oft die Worte“, sagt Merbecks. Ihr Handicap sorgte dafür, dass sich die 56-Jährige zunächst aus dem sozialen Leben zurückzog. „Man sieht mir meine Behinderung nicht an. Deshalb war ich oft unsicher und fürchtete, dass mein Umfeld kein Verständnis für mich haben würde.“

Angefangen hat ihre Krankheitsgeschichte im November 2015: Auf dem Rückflug nach einem Ägyptenurlaub veränderte sich das Leben der zweifachen Mutter schlagartig. „Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass mein Kopf platzt und war nicht mehr ansprechbar“, berichtet sie. Mit dem Rettungswagen ging es sofort in die nächstgelegene Klinik, wo der Hirntumor festgestellt wurde. „Man sagte mir, dass meine Überlebenschancen mit einer Operation bei 50 zu 50 lägen.“ Zwei Wochen nach dem erfolgreichen Eingriff folgte der nächste Schock:  „Ich hatte einen Krampfanfall“, so die Patientin. Von da an war nichts mehr wie vorher und die damals 49-Jährige musste vieles neu erlernen. Zum Beispiel das Laufen und Sprechen. Mit viel Optimismus und Lebensmut, aber auch mit Unterstützung von außen, arbeitete sich Merbecks zurück ins Leben. Eine große Hilfe waren dabei auch die Logopädiestunden bei der Savita Grevenbroich. „Vor Beginn der Therapie wären einfache Gespräche nicht möglich gewesen, heute merken mir viele Menschen gar nicht an, dass ich ein Handicap habe“, so Merbecks stolz. Um diesen Erfolg möglich zu machen, passte Logopädin Maren Gutzke die Übungen individuell an ihre Patientin an, schulte insbesondere die Konzentration. Zum Beispiel mit Aufgaben wie Rückwärtslesen oder Einkaufszettel merken. Seit 2016 besucht Merbecks diese Stunden wöchentlich und freut sich über ihre Fortschritte. „Am Anfang war ich noch bei 5 Prozent meiner ursprünglichen Fähigkeiten. Heute sehe ich mich bei 75 Prozent. Dabei habe ich akzeptiert, dass ich nie ganz mein altes Ich erreichen werde“, sagt sie.

Heute lebt die gebürtige Neusserin allein in einer kleinen Wohnung in Grevenbroich – einsam fühlt sie sich aber nicht mehr. „Die Logopädiestunden haben auch mein Selbstbewusstsein gestärkt, sodass ich wieder gern unter Menschen bin.“ Einen guten Einstieg zurück ins soziale Leben bot ihr zudem das Café Oelgasse, das wie die Savita zur St. Augustinus Gruppe gehört. In der inklusiven Einrichtung treffen sich Menschen mit und ohne Behinderung. „Für mich war es die perfekte Möglichkeit, meine Hemmschwelle zu überwinden und den Kontakt zu anderen wieder zuzulassen.“